Was ist für die Unionsfraktion aus CDU und CSU die größte entwicklungspolitische Errungenschaft im Koalitionsvertrag?
Wir wollen uns mehr darum kümmern, dass Menschen Jobs und Chancen kriegen, dafür privates Kapital mobilisieren und staatliche Garantien einsetzen. Investitionen in Entwicklungsländern und auch auf dem Balkan sind Voraussetzung für Verbesserungen. Das wollen wir fördern. Wenn das in afrikanischen Ländern mit schwierigen Rahmenbedingungen gelänge, wäre das ein Riesenvorteil. Wichtige Beiträge sind der Marshallplan und die Compacts mit Afrika. Auch mehr Auslandsinvestitionen auf dem Kontinent werden gebraucht, da steht Deutschland heute nur auf Platz zehn hinter Singapur und Malaysia. Und von diesen zehn Milliarden Euro aus Deutschland entfallen dann rund zwei Drittel allein auf Südafrika, viel auf Ägypten und Marokko und fast nichts auf Subsahara-Afrika.
Der Koalitionsvertrag fordert, die Entwicklungspolitik muss besser werden. Was heißt das für Sie?
Uns ist Entwicklungszusammenarbeit im Interesse der Menschen ganz wichtig. Und genau deshalb sind uns Erfolg und Effizienz wichtig. Wenn ein Schwerpunkt der Zusammenarbeit ist, Rahmenbedingungen zu verbessern, dann ist für mich eine weitere Zahl alarmierend: Die Steuerquote des relativ reichen Landes Nigeria liegt mit gerade mal 2,9 Prozent gleichauf mit Südsudan auf dem letzten Platz aller Länder weltweit, selbst einige arme westafrikanische Länder haben eine Steuerquote von rund 15 Prozent. Was ich damit sagen will: Eigene Ressourcen müssen gestärkt, dann aber auch genutzt werden. Wenn das nicht geschieht, kann es nicht richtig sein, die Lücke dauerhaft mit unserem Steuergeld zu schließen. Stattdessen sollten wir unsere Mittel mehr auf Länder wie Burkina Faso konzentrieren, dessen Wirtschaftsleistung pro Kopf gerade mal ein Viertel der von Nigeria ist.
Sie sagen, Geld allein bringt noch keinen Erfolg. Soll das Budget des Entwicklungsministeriums (BMZ) also bei den derzeitigen rund 8,7 Milliarden Euro eingefroren werden?
Nein, ganz im Gegenteil. Vereinbart ist bereits eine erhebliche Steigerung der staatlichen Entwicklungsgelder (ODA) um 1,6 Milliarden Euro über die Legislaturperiode plus eine prioritäre Nutzung zusätzlicher, sich ergebender Spielräume. Ich bin aber optimistisch, dass sich diese Spielräume bei erfolgreicher Sicherung einer guten wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland auch tatsächlich bieten. Dann ist auch im BMZ-Haushalt viel Luft nach oben – wie auch bei den Ausgaben des Auswärtigen Amts für Not- und Stabilisierungshilfe.
Warum fixieren CDU und CSU sich so sehr darauf, dass Entwicklungspolitik Fluchtursachen bekämpfen muss – also aus Ihrer Sicht Flüchtlinge abwehren soll?
Das tun wir nicht unbedingt, es ist ja eher umgekehrt richtig: Wir wollen, dass die Menschen Jobs und Chancen dort haben, wo sie leben. Dass sie dann nicht Chancen woanders suchen müssen ist automatische Folge. Insofern deckt sich die ethische Verpflichtung der Nächstenliebe mit dem praktischen Interesse unseres Landes. Es ist notwendig, viel Geld für Bildung auszugeben. Aber ohne Jobs sehen die Menschen noch keine Perspektive. Ausbildung muss mehr in Arbeit münden, auch im akademischen Bereich: Gebraucht werden Technologie- und Gründerzentren an technischen Universitäten in Afrika. Zu viele Hochschulabgänger bleiben ohne Aussicht auf einen Arbeitsplatz, der Anschluss fehlt. Um breite Wirkung zu erzielen, brauchen sie Jobs, müssen sie motiviert werden, selbst Unternehmer zu werden, und es müssen die Rahmenbedingungen für die Ansiedlung von Arbeitsplätzen besser werden. Ähnliches gilt für Handelsbeziehungen. Sie müssen frei und fair sein. Aber dann muss es vor allem darum gehen, Afrika dabei unterstützen, auch wirklich ein Angebot verarbeiteter Waren auch für unsere Märkte zu haben.
Der Koalitionsvertrag erklärt die UN-Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 zur Richtschnur allen Regierungshandelns. Wie kann deutsche Politik dafür stärker ineinandergreifen?
Wir brauchen eine viel engere Kooperation zwischen Entwicklungs-, Wirtschafts-, Sicherheits- und Außenpolitik. Damit Menschen Chancen haben, brauchen sie ein friedliches Umfeld, gute Ausbildung, Gesundheit und wirtschaftliche Betätigungsmöglichkeiten. Da kann die Zusammenarbeit zwischen unseren Ministerien sicher noch verbessert werden, leider werden die eigenen Vorgärten überall gerne allein gepflegt.
Das Gespräch führte Marina Zapf.
Sicherheit oder Fluchtursachen?
Was für ein Glück, dass christliche Nächstenliebe mit den außenpolitischen Interessen der Nation zusammenfällt. So kann man sich gut einreden, man bekämpfe Fluchtursachen und nicht Flüchtlinge.
Wer ernsthaft den Marshallplan und Privatinvestitionen als Entwicklungsmotoren bezeichnet, hat was nicht verstanden, sorry.
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